Ökologie, Fitness, Gesundheit - die großen Natur-Trends der letzten Jahrzehnte haben die Menschen für ganz unterschiedliche Themen sensibilisiert. Manch einer setzte auf Solarenergie, der andere erlernte Yoga-Techniken oder engagierte sich für gefährdete Bäume. Jetzt aber hat sich diese gesamte Entwicklung auf ein Thema fokussiert, das jeden Menschen betrifft: gesunde Ernährung.
In keinem Marktsegment hat sich das Angebot so vervielfacht wie bei den Lebensmitteln. Für jedes industriell hergestelltes Nahrungsprodukt gibt es mittlerweile natürliche Alternativen, und diese auch noch breit aufgefächert nach individuellen Vorlieben. Vegetarisch, vegan, fettreduziert, Laktosefrei, zuckerarm - für jeden noch so speziellen Nahrungswunsch nehmen die Angebote ständig zu. Bio-Qualität ist zum Standard geworden und längst nicht mehr alleiniger Gradmesser für die Güte eines Lebensmittels. Galten früher die Freunde gesunder Kost generell als Spaßbremsen bei gemeinsamen Mahlzeiten, so wird heute an deutschen Esstischen viel eher darüber diskutiert, welche Ernährungsweise denn nun die Richtige sei. Die neue Lust am gesunden Genießen hat zu einer Vielfalt der Angebote geführt, die bisweilen schon mehr Verwirrung stiftet als Orientierung bietet. Wenn der Markt reagiert, sind die Trends in der Gesellschaft "angekommen". Die Zeiten, in denen gesunde Essenzutaten nur im Reformhaus oder in Spezialläden zu erhalten waren, sind vorbei. Jeder Supermarkt hat heute seine "Naturkost"-Regalreihen, und es werden immer mehr. Was steht hinter diesen Trends?
Welcome to the Veggie Wonderland
Vegetarierer sind längst keine belächelte Minderheit mehr. Fast 9 Millionen Deutsche bevorzugen mittlerweile die pflanzliche Ernährung - das sind 15 % der Einwohner über 18 Jahre. Und es sind nicht die älteren Öko-Freaks, die das rasante Wachstum ausmachen, sondern die Altersgruppe zwischen 18 und 35 Jahren. Ressourcenverschwendung und Treibhaus-Effekte ist für viele genau so wenig einsehbar wie die moralische Ignoranz gegenüber dem Leben der Tiere. Am schnellsten vergrößert sich die "radikale Vorhut" der neuen Essen-Religion: die Veganer. Diese verzichten nicht nur auf Fleisch und Wurst, sondern auch auf alle anderen Tierprodukte. Der klassische Vegetarismus wirkt dagegen geradezu halbherzig. Er taugt schon nicht einmal mehr zur Begriffsbestimmung. "Veggie" ist heute alles, was nicht vom Tier stammt, und das Zauberwort klingt nach guter Laune und Leichtigkeit - und nicht nach irgendeinem erhobenen Zeigefinger. Denn "Veggie" ist bunt und abwechslungsreich. Die gesamte Palette der Fleischprodukte gibt es mittlerweile auch als vegane Variante, d.h. auf pflanzlicher Basis hergestellt und mit dem jeweils typischen Geschmack versehen. Einer der bekanntesten fleischverarbeitenden Betriebe Deutschlands, die Rügenwalder Mühle, stellt einen Großteil seiner Produktion auf vegan um. Fast 200 Jahre hat das Traditionsunternehmen nach alter deutscher Sitte Wurst und Fleisch geliefert - jetzt sollen 40 % der Waren aus pflanzlichen Rohstoffen hergestellt werden.
Auch die Milch muss nicht mehr zwangsläufig von der Kuh kommen. Sojamilch ist die mittlerweile bekannteste Alternative, aber es gibt auch Reismilch (gut für Allergiker), Hafermilch (hat cholesterinsenkende Eigenschaften), Dinkelmilch (kommt ohne Zucker aus), Mandelmilch (enthält überdurchschnittlich viel ungesättigte Fettsäuren), Nussmilch (z.B. Haselnuss, Cashew oder Kokos) oder eben auch Hanfmilch. Bei dieser Vielfalt und den unterschiedlichen Geschmacksrichtungen ist es daher zudem selbstverständlich, dass sich daraus auch pflanzliche Alternativen zu Käse, Butter Joghurt oder Quark ergeben. Zwar ist das Angebot noch nicht in allen Supermärkten vollständig angekommen, aber in gut sortierten Fachgeschäften ist es in großer Breite vorrätig. Das aktuelle Problem liegt im höheren Preis der Vegan-Produkte. Sie werden höher besteuert und erhalten keinen Subventionen. Zudem dürfen sie nur als "Drinks" deklariert werden, nicht als Milch. Auch die Verarbeitungsprodukte tragen eher kompliziertere Namen wie z.B. "Noh Muh Chäse" oder "Pizzaschmelz". Den konsequentesten Schritt ist bisher die Supermarktkette "Kaufland" gegangen. Sie führte das "k-veggie" ein - als Eigenmarke für die gesamte vegane Produktpalette in den eigenen Regalen zum Niedrigpreis.
LowCarb - vom Geheimtipp zum Ernährungsleitfaden
Jeder zweite Deutsche ist übergewichtig - und Schuld daran sind die vielen Kohlehydrate, die wir insbesondere in Form von Zucker zu uns nehmen. Zucker findet sich beileibe nicht nur in der Schokolade - fast jedes Lebensmittel wird damit geschmacklich aufgewertet. Da kaum einer die überschüssig aufgenommene Energie wieder "abarbeitet", verewigt sie sich als ständig wachsende Fettpolster an allen Stellen des Körpers, bevorzugt am Bauch, an der Hüfte und in den Oberschenkeln. Um wieder schlank zu werden, muss also ein anderes Verhältnis der aufgenommenen Nährstoffe gefunden werden - und das ist LowCarb. LowCarb bedeutet nichts anderes als "die Aufnahme von Kohlehydraten senken, mehr auf Eiweiß und Fett orientieren". Wer mehr Eiweiß zu sich nimmt, läuft weniger Gefahr zuzunehmen. Denn Proteine werden nicht als Fett gespeichert, sondern gehen direkt in die Muskeln. Fette mit einem hohen Anteil ungesättigter Fettsäuren sind gesund - und das sind in der Regel pflanzliche Öle wie Raps oder Olive. Sie werden auch nicht als Körperfett gespeichert, wenn zu wenig Kohlehydrate zur Verfügung stehen. Durch die so genannte Ketose gewinnt der Körper Kohlehydrate aus Fett - das ist der Trick der LowCarb-Ernährung.
Populär gemacht wurde sie durch die Stars aus Hollywood, wie z.B. Catherine Zeta-Jones. Über Kate Middleton und Heidi Klum kam der Trend nach Europa und Deutschland. Da die genannten Damen bestens als Werbeträger fungieren, ist der Erfolg von LowCarb für jeden deutlich zu sehen. Aber wie kann man Kohlehydrate vermeiden, wo sie doch in allen Lieblingslebensmitteln der Deutschen zahlreich enthalten sind? Wer will schon auf Brot, Kartoffeln oder schöne Saucen zum Mittagessen verzichten? Nun heißt "LowCarb" ja nicht "NoCarb" - wenn sich ca. ein Drittel der Nährstoffaufnahme auf Kohlehydrate reduziert, ist schon viel gewonnen. Denn das ist in etwa die Hälfte des aktuellen durchschnittlichen Verzehrs. Wenn dazu überdurchschnittlich viel Gemüse kommt, ist auch für ausreichend Vitamine und Ballaststoffe gesorgt - einschließlich des absoluten Sättigungsgefühls nach den Mahlzeiten. LowCarb ist indes nichts für die "Veggie-Fans". Fleisch mit geringem Fettgehalt wird ausdrücklich empfohlen, was die Ernährungsumstellung allerdings wiederum für viele Traditionalisten akzeptabel macht. In jedem Supermarkt findet man Produkte, deren Kohlehydratanteil deutlich reduziert ist: Kleie und Leinsamen als Alternative für das Brot, Birkenzucker vs. Zuckerraffinade oder auch einfach Kohlrabis, die schon einmal die gute alte Kartoffel ersetzen können. Dazu gibt es ein Fülle von Light-Produkten bei Wurst, Käse oder Cremes. Diese zielen zwar vorrangig auf einen reduzierten Fettanteil, liegen aber oft auch bei den Kohlehydraten weit unter den üblichen Werten. Leider sind diese Waren kaum als LowCarb-Produkte ausgewiesen. Der Kunde muss sich schon die Mühe machen, die Nährstoffangaben auf der Verpackung zu studieren und sich eine Auswahl von Produkten, die seinem Geschmack entsprechen, zusammen zu stellen.
Superfood - das Beste vom Besten?
Klar, dass bei so viel Lärm um Alternativen in der Ernährung auch der Superlativ nicht fehlen darf. Den Begriff "Superfood" gibt es schon seit Jahrzehnten, aber nun hat er endlich seine wahre Bestimmung gefunden: nämlich als Kennzeichnung von besonders gesunden Lebensmitteln. In der Tat gibt es eine ganze Reihe von Gewächsen, deren Früchte, Wurzeln oder Blätter überdurchschnittlich viel Gutes für den menschlichen Körper tun können. Paprika ist ein Vitamin-Gigant, Broccoli senkt den Blutdruck und Heidelbeeren mindern das Krebsrisiko. Doch das Heimische ist nicht spektakulär genug. Es muss schon der Chia-Samen aus Mexiko sein, der entscheidend mehr Proteine in die Backwaren bringt. Dass der gute alte Leinsamen dies schon seit Jahrhundert still und bescheiden erledigt, ist in diesem Zusammenhang für den Handel unerheblich. Denn Chia klingt exotisch und teurer. Einen noch viel größeren Hype löste die Maca aus den südamerikanischen Hochanden aus. Denn neben dem konzentrierten Nährwert wird dem kleinen Rübchen potenzsteigernde Wirkung nachgesagt. Sportler sollen damit ihre Leistung steigern und Geistesarbeiter zu erhöhter Konzentration finden können. Weitere Highlights des Superfood-Marketings sind der Moringa-Baum aus Indien (angeblich die nährstoffreichste Pflanze der Welt), Spirulina- und Chlorello-Algen (basische Wirkung), Shiitake-Pilze (gegen Krebs) , Papaya (gegen bakterielle Infektionen), die Acerola-Kirsche (höchste Vitamin-C- Konzentration), Ingwer (gegen Schmerzen, Brustkrebs und Haarausfall), Curcuma (hochwirksames Antioxydans) oder Oregano (gegen Parasitenbefall). Es reicht in der Regel aber völlig aus, sich der einheimischen Gemüse und Kräuter zu bedienen. Neben den bereits erwähnten Arten bewirken Spinat, sämtliche Kohlarten, Blattgemüse oder Kürbiskerne Ähnliches wie ihre exotischen Kollegen.